Das vergessene Element? – Äther

In fast allen Kulturkreisen der Welt gibt es die Lehre von den Elementen. In der abendländischen Kultur kennen wir die Lehre von den 4 Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft. Mit Hilfe dieses Ordnungssystems der Elemente versuchte der Mensch seit je her die verschiedenen Phänomene der Natur zu ergründen, in einen Bezug zu einander zu setzen und ihre unterschiedlichen Qualitäten zu beschreiben. Zudem ist die abendländische oder vielmehr die griechische Betrachtungsweise der 4 Elemente heute noch immer die Grundlage für die Astrologie. In der traditionellen chinesischen Philosophie und Denkweise kennen wir die Lehre der 5 Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Aus der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) kennen wir vor allem die Bedeutung der Elemente in der Medizin und ihren Bezug auf den Rhythmus der Jahreszeiten und auf den Zyklus des Lebens. Bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. gab es in Griechenland ebenfalls ein Ordnungssystem mit 5 Elementen. Neben Feuer, Wasser und Erde gab es das Element Luft und den Äther. Achim Eckert schreibt dazu in seinem Buch „Das heilende Tao“, … das griechische Element Luft entspricht dabei in etwa dem chinesischen Element Metall, das chinesische Holz im Großen und Ganzen dem griechischen Feuer und das chinesische Feuer in vielen Punkten dem Äther. Hippokrates, einer der Urväter der abendländischen Medizin, hat in seiner Lehre nur 4 Elemente in Betracht gezogen, das fünfte Element, der Äther, blieb in seiner Lehre der vier Säfte und der entsprechenden Temperamente unberücksichtigt.

Im Gegensatz zum Element Äther sind die anderen vier Elemente eher begreifbarer und vor allem materieller. Wir können uns gut vorstellen was „Erde“ bedeutet oder „Wasser“, können wir diese Elemente doch täglich erfahren, zumindest auf der materiellen Ebene. Der Begriff „Äther“ ist dagegen unnahbarer und schwerer zu fassen. In der Physik heißt es laut Wikipedia „Der Äther ist eine hypothetische Substanz, die im ausgehenden 17. Jahrhundert als Medium für die Ausbreitung von Licht postuliert wurde.“ Weiter heißt es in einem Online Schülerlexikon, …“der Äther ist ein Stoff von geringster Dichte, der in dem uns umgebenden absoluten Raum ruht und in dem sich Körper reibungsfrei bewegen können.“ Nicht wenige Wissenschaftler und Physiker, u.a. Albert Einstein, haben sich in den letzten Jahrhunderten mit dem Äther beschäftigt und ihn auch immer wieder in Frage gestellt. Das Wörterbuch Oxford Languages beschreibt den Äther mit „Weite und Raum des Himmels“, oder auch mit „…den Weltraum durchdringendes feines Medium, durch dessen Schwingung sich die elektrischen Wellen ausbreiten“. Vereinfacht gesagt geht es doch um den mal mehr und mal weniger mit Licht durchfluteten Raum um uns herum, bis in das weite Universum hinein, eine formlose und uns umhüllende Substanz voller Energie. Hier wird meiner Meinung nach eine Parallele erkennbar zum Qi-Konzept aus der chinesischen Philosophie. Prof. Dr. Pang Ming, ein chinesischer Qi Gong Meister, TCM Arzt und Begründer des Zhineng Qi Gong beschreibt in seiner Hunyuan-Qi-Theorie, „…das alles im Universum – alle Materie, Substanz, Form, Energie und Information – aus Qi hervorging und entwickelt wurde.“ Dr. Pang Ming spricht hier von einer Art universellem Qi oder auch Ur-Qi. Weiter beschreibt er das Vorhandensein zweier Formen von Qi, das formlose, unsichtbar und nicht spürbar und das geformte, sichtbar und spürbar. Und beide Formen von Qi können sich unter bestimmten Umständen wandeln – von einer Form in die andere und umgekehrt.

Können wir den Äther mit einer aus der ursprünglichen daoistischen Tradition entnommenen Lehre des Qi vergleichen? Bildet der Äther eine ebenso gleiche Kraft- und Energiequelle um unseren Planeten herum wie das universelle Qi? Und können wir sogar noch einen Schritt weiter gehen und den Äther mit einer Art „Dao“ vergleichen, einer Urkraft die alles aus sich heraus geschaffen hat, der unbedingte Urgrund allen Seins und ewige Schöpfungsquelle? Der Äther bekäme somit eine Art Wächter- oder Schöpfungsfunktion über die anderen vier Elemente.

Vielleicht hätte das Element Äther unter rein spiritueller Betrachtungsweise eine größere Bedeutung erlangt? Aber dies sind nur Vermutungen und Gedankenansätze meinerseits, den Begriff des Äthers zu verstehen. Der Äther bleibt etwas mystisch, im Verborgenen aber doch immer präsent, kraftvoll und voller Energie.